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(de) Germany, Ruhr, Die Platform: Krisen überall - und wir sollen ein Kreuzchen machen und hoffen? (ca, en, it, pt, tr)[maschinelle Übersetzung]
Date
Mon, 10 Mar 2025 08:36:10 +0200
Gedanken zur Bundestagswahl 2025 ---- In Deutschland herrscht
Krisenstimmung: Niedergang der Autoindustrie, Verspätungsrekord bei der
Bahn1, Kitas, Schulen und Krankenhäuser am Limit, marode Infrastruktur
wie die kürzlich zusammengebrochene Elbbrücke in Dresden - so könnte man
ewig weitermachen. Ausdruck der Krise ist auch, dass aktuell - früher
als gedacht - Wahlkampf herrscht. Viele Menschen bemerken konkrete
Verschlechterungen in ihrem Leben und hoffen, dass Neuwahlen einen
Ausweg aus der Krise bringen können. Das zeigt sich auch an den Themen,
die die Menschen laut Umfragen aktuell am meisten beschäftigen: 2
1. Die Wirtschaftslage
2. Migration und Flucht
3. Energie und Klima
4. Der Ukraine-Krieg
Dabei nehmen der Wahlkampf und die dort getätigten Versprechen eine
seltsame Rolle in unserer Demokratie ein. 81,7% halten es für das größte
Problem der Demokratie, dass zentrale Wahlversprechen oft nicht
umgesetzt würden.3 Dennoch sind sich die meisten einig, am 23.02. muss
gewählt werden. Trotz allen Zweifeln an der Möglichkeit, durch Wahlen
etwas zum Positiven zu verändern, wird weiter an dieser Option
festgehalten, weil andere politische Perspektiven aktuell kaum präsent
sind. Es lohnt sich daher, die vier Themen, die den Menschen am
wichtigsten sind, und die dazugehörigen Lösungsvorschläge der Politik
genauer anzuschauen. Und ebenso, welche alternativen
Handlungsmöglichkeiten es geben könnte.
Wirtschaftslage
Alle sind sich einig: Die Wirtschaft in Deutschland ist in der Krise.
Dies bedeutet für lohnabhängige Menschen: Sorgen um den Arbeitsplatz und
die (Real-)Löhne sowie allgemein die Zukunft. Der Einkauf der
alltäglichen Lebensmittel wird immer teurer und schluckt immer mehr
Anteil am Gehalt, ebenso die Miete, Heizkosten oder das Tanken für die
Fahrt zur Arbeit. So macht sich die Krise bei uns bemerkbar.
Doch was heißt denn eigentlich Krise in dieser Gesellschaft? Krise
herrscht, wenn es, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), nicht genug
Wachstum gibt. So stieg das BIP in diesem Jahr zum Beispiel "nur" um
0,1% im 3. Quartal im Vergleich zum Vorquartal.4 Dies erkennen sämtliche
Parteien als Problem und leiten aus dem fehlenden Wachstum die schlechte
Lage vieler Menschen ab. Es wird darum gestritten, wie wieder ein
stärkeres Wachstum erreicht werden kann: Manche schlagen
Investitionsförderungen und Steuersenkungen vor oder wollen das
Bürgergeld absenken und die Lohnfortzahlung für die ersten
Krankheitstage streichen. Andere wollen den Mindestlohn erhöhen, um die
Binnennachfrage anzukurbeln. Das Ziel, Wachstum zu erreichen, teilen
somit sämtliche Parteien.
Doch was ist dieses BIP, das alle wieder wachsen sehen wollen? Das BIP
meint die in Werten ausgedrückte Summe der in einer Volkswirtschaft
produzierten ökonomischen Güter (Waren und Dienstleistungen).5 Kurz, da
wird alles zusammenaddiert, wodurch Geld verdient wird in diesem Land.6
Das BIP sagt aber nichts darüber aus, ob es genug gibt von den Dingen,
die wir in unserem Alltag brauchen - wie z.B. Nahrungsmittel, Wohnen,
Konsum, etc. Das BIP kann z.B. auch wachsen, weil wegen eines Krieges
die Militärausgaben steigen, oder weil nach einer Naturkatastrophe viel
Arbeitskraft für den Wiederaufbau aufgewendet werden muss. Umgekehrt
bedeutet Rezession nicht, dass plötzlich die Fähigkeit der Bevölkerung,
nützliche Dinge zu produzieren, gesunken ist. Vielmehr gibt es
Schwierigkeiten bei der profitablen Verwertung der Waren auf dem
Weltmarkt. Dies kann unterschiedliche Gründe haben, z.B. dass die
Konkurrenz günstiger ist, oder schlicht die Nachfrage nach bestimmten
Produkten sinkt. Es leuchtet erst einmal nicht unmittelbar ein, warum
sich das auf unseren Alltag auswirken soll. Ebenso, wenn im Finanzsektor
weniger "Wert geschöpft" wird7 oder Aktienpakete weniger Rendite
abwerfen. All diese Fälle haben jedoch eins gemeinsam: Das BIP wächst
weniger stark. Und das betrifft uns: Es drohen Firmenpleiten,
Arbeitslosigkeit etc. Die meisten von uns bemerken in ihrem Alltag also
nur zu gut, dass Krise herrscht. Denn der Reichtum dieser Gesellschaft
wird daran gemessen, wie viel Geld insgesamt verdient wird und nicht,
wie viel von nützlichen Dingen für unser Leben vorhanden ist. Läuft das
Geldverdienen für die Unternehmen schlechter, "haftet" dafür der
lohnabhängige Teil der Bevölkerung durch die erschwerten Lebensbedingungen.
Durch die Lösungsvorschläge der Parteien wird unterstellt, dass es uns
allen gut geht, wenn es nur "der Wirtschaft" gut geht. Aber auch in den
Jahren, als es in Deutschland wirtschaftlich bergauf ging, wurde der
wirtschaftliche Erfolg der Nation auf harten Grundlagen erkauft: einem
der größten Niedriglohnsektoren in Europa,8 dem auch nach offizieller
Definition drohenden Armutsrisiko (offiziell aktuell 16,6% betreffend)9,
Arbeit, die schon in "normaler" Vollzeit10 krank macht,11 drohendem
Burnout12 und nochmal deutlich größeren Gesundheitsrisiken bei Jobs mit
Schichtbetrieb.13
Unbeeindruckt davon, was die Arbeit mit den Menschen anrichtet, sind
sich die (meisten) Politiker:innen - von Habeck14 zu Merz15 - zumindest
in einem Punkt einig, was Deutschland für ein neues, stärkeres
Wirtschaftswachstum braucht: Es muss wieder mehr gearbeitet werden. Auch
den Parteien ist also klar, dass die Arbeit die Grundlage des Reichtums
dieser Gesellschaft ist. Das führt zu dem verrückten Widerspruch, dass
die Produktivität je Erwerbstätigen seit Ewigkeiten steigt, das
Arbeitsvolumen der Gesamtbevölkerung ebenso,16 die erforderliche Arbeit
aber dennoch nicht weniger wird, sondern es noch mehr davon brauchen
soll.17 Grund dafür kann aber nicht sein, dass es von den Dingen, die
wir so brauchen, zu wenig gibt. Stattdessen handelt es sich um eine
Krise der Profitmaximierung des Kapitals (= es wächst zu wenig). Dies
erklärt auch, warum in der Krise auch immer Arbeitsplätze "abgebaut"
werden. Arbeit findet nur statt, wenn sie für die Unternehmen "rentabel"
ist. Denn für die Unternehmen ist die Arbeit immer noch in erster Linie
ein Kostenfaktor in der Bilanz, den es zugunsten und im Verhältnis zum
Profit zu senken gilt. Es muss gearbeitet werden, weil es den Wert für
die Unternehmen schafft. Keine Rolle spielt dagegen, was gebraucht wird
in der Gesellschaft. Somit besteht ein zentraler Widerspruch zwischen
den Interessen "der Wirtschaft" und den angestellten "Erwerbstätigen".
Oder auf den Punkt: "Du und dein Boss ham nix gemeinsam bis auf das
Deutschlandtrikot." Diesen Widerspruch loszuwerden, steht am 23. Februar
nicht auf dem Wahlzettel.
Wir sollten jedoch nicht akzeptieren, dass wir für die Krise und eine
gesteigerte Profitrate der Unternehmen in Haftung genommen werden. Trotz
zurückgehender Verkaufszahlen macht z.B. VW nach wie vor
Milliardengewinne, drohte aber vor Weihnachten dennoch mit
Werksschließungen und verlangte von den Beschäftigten unter anderem 10%
Lohnkürzungen. Die IG Metall ging gemäß ihrem
"sozialpartnerschaftlichen" Selbstverständnis auf die Erpressung ein und
stimmten einem Verzicht auf Lohnerhöhungen bis 2030 sowie dem Abbau von
35.000 Stellen zu, um die Schließung von Fabriken abzuwenden.18 Kapital
und Arbeit sind aber keine "Partner", sondern unversöhnliche Gegner!
Lassen wir uns nicht erpressen, organisieren wir uns und nutzen unsere
kollektive Macht, um für unsere Interessen zu kämpfen.
Migration und Flucht
20 Jahre neoliberale Sparpolitik haben Infrastruktur und öffentliche
Einrichtungen hierzulande heruntergewirtschaftet. Eine aktuelle Studie
beziffert den Bedarf an Investitionen für Instandhaltung und Ausbau von
Verkehrsnetzen, städtischen Gebäuden, Bildungseinrichtungen und
Wohnungsbau auf 600 Milliarden Euro.19 Hinter dieser abstrakten Zahl
verbergen sich konkrete Verschlechterungen, die wir alle im Alltag zu
spüren bekommen: mangelnde Kitaplätze, unbezahlbare Mieten, ausgefallene
Züge, überfüllte Busse, marode Schulgebäude, geschlossene Schwimmbäder...
Zugleich ist in den letzten Jahren die Zahl der Menschen, die vor
Kriegen und Armut flüchten müssen und in Europa Schutz suchen, erneut
stark gestiegen. Allein im Jahr 2022 - dem Beginn des Ukrainekriegs -
kamen 1,5 Millionen Menschen zusätzlich nach Deutschland.20 Es ist wenig
verwunderlich, dass dadurch die ohnehin vorhandenen Engpässe in der
öffentlichen Versorgung in vielen Kommunen zusätzlich verschärft
werden.21 Teile der einheimischen Bevölkerung ziehen daraus den
verkehrten Schluss, für die Misere nicht die jahrzehntelange Sparpolitik
des Staates, sondern die neu angekommenen Geflüchteten verantwortlich zu
machen. Sie treten nach unten und üben sich in rassistischer
Besitzstandswahrung, getreu dem Motto: Wenn schon nicht genug für alle
da ist, dann sollen gefälligst zuerst die und nicht wir verzichten! Eine
bestimmte Gruppe von Konkurrent:innen wird für nicht berechtigt erklärt,
das Prinzip, dass um grundlegende Güter wie Wohnraum und öffentliche
Dienstleistungen überhaupt konkurriert werden muss, wird nicht in Frage
gestellt.
Fast alle Parteien reagieren auf diese Situation mit einem
restriktiveren Kurs in der Migrationspolitik, wobei sie von den
Mainstream-Medien eifrig unterstützt werden. Nachdem Kanzler Scholz
bereits im Oktober 2023 gefordert hatte: "Wir müssen endlich im großen
Stil abschieben"22, beschloss die Ampelkoalition im Januar 2024 ein
"Rückführungsverbesserungsgesetz", welches die Abschiebung abgelehnter
Asylbewerber:innen erleichtern soll.23 Der Opposition geht das noch
nicht weit genug, CDU, AfD und BSW fordern unter anderem
Leistungskürzungen von abgelehnten Asylbewerber:innen, keine Einreise
für Geflüchtete aus sicheren Drittstaaten und Asylverfahren außerhalb
der EU.24
Daneben möchten aber die meisten Parteien verstärkt ausländische
Fachkräfte anwerben, da deutsche Unternehmen in vielen Bereichen unter
Personalmangel leiden. "Einwanderung in den Arbeitsmarkt statt in die
sozialen Sicherungssysteme", fordert die FDP in ihrem Wahlprogramm.25 In
anderen Worten: Wer die Profite des Kapitals vermehrt, ist willkommen,
überflüssige Arme sollen draußen bleiben. In diesem
Nützlichkeitsrassismus ist sich die bürgerliche Mitte mit der
populistischen Rechten einig: Donald Trump hat es Elon Musk kürzlich
zugestanden, dass die Tech-Industrie auch weiterhin ausländische
IT-Spezialist:innen anwerben darf und Alice Weidel wird es im
Zweifelsfall ähnlich halten.26
Was ebenfalls alle Parteien eint, ist die Anrufung des nationalen "Wir":
Was auch immer sie an migrationspolitischen Maßnahmen vorschlagen, es
geht dabei stets um das Wohl "unseres" Landes. Diese Rhetorik dient der
Verschleierung der Klassengegensätze: Die Lohnabhängigen sollen sich mit
den Interessen des deutschen Kapitals identifizieren und im Zweifelsfall
zugunsten des Standorts Deutschland ihren Gürtel enger schnallen. Dies
soll uns unter anderem dadurch schmackhaft gemacht werden, dass die
Staatsangehörigkeit mit gewissen Privilegien verbunden ist, es also
nicht-deutschen Angehörigen der arbeitenden Klasse noch schlechter geht.
Diese nationalistische Logik der Spaltung gilt es zu überwinden. An die
Stelle des nationalen "Wir" setzen wir ein proletarisches und
internationalistisches "Wir". Die Frage ist nicht: Welche Fachkräfte
braucht die deutsche Wirtschaft? Oder: Wie viel Migration verträgt unser
Land? Sondern: Wie können wir, einheimische und migrantische
Lohnabhängige gemeinsam, uns für unsere Interessen einsetzen? Wenn es zu
wenig bezahlbare Wohnungen und zu wenig Kitaplätze gibt, müssen wir
zusammen darum kämpfen, dass sich das ändert. Wenn die Mächtigen dafür
kein Geld locker machen wollen, müssen wir sie zwingen, es zum Beispiel
aus dem Wehretat zu nehmen.
Ein solcher Kampf für ein besseres Leben kann aber nicht an den
Landesgrenzen stehen bleiben. Die Lohnabhängigen verschiedener Länder
müssen ihre Kämpfe verbinden und sich gegenseitig unterstützen. Die
häufig erhobene Forderung, "Fluchtursachen zu bekämpfen" kann letztlich
nur durch eine Überwindung des weltweiten kapitalistischen Systems
verwirklicht werden, das durch seine Ausbeutung, Naturzerstörung und
Kriege unzählige Menschen zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Eine solche
Perspektive findet sich aber auf keinem Wahlzettel!
Energie und Klima
Mittlerweile hat sich auch in den Führungsetagen der Konzerne die
Erkenntnis durchgesetzt, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden
muss - nicht weil dieser den Planeten ruiniert, sondern weil er die
Profite gefährdet. Das Weltwirtschaftsforum kommt in einer Studie zu dem
Schluss, dass "mehr als die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts
- 44 Billionen Dollar Wirtschaftswert - mäßig oder stark den Risiken von
Naturschäden ausgesetzt"27 sei.
Die Bundesregierung und viele andere Staaten fördern daher den Ausbau
von erneuerbaren Energien und andere Klimaschutzmaßnahmen. Bezahlen muss
den dafür nötigen Umbau der Wirtschaft aber nicht etwa das 1% der
Superreichen, die mit ihren Privatjets und Luxusyachten mehr als doppelt
so viel CO2 verursachen als die ärmeren 50 % der Menschheit zusammen.28
Bezahlen muss vielmehr die breite Masse der Bevölkerung in Form stetig
steigender CO2-Abgaben, die das Heizen und Tanken verteuern. Die unteren
Einkommensschichten sind davon besonders betroffen, weil sie einen viel
größeren Anteil ihres Einkommens für Energiekosten aufwenden müssen als
die Reichen.29
Die Tatsache, dass die Energiewende in ihrer bisherigen Form sozial
ungerecht ist, hat bei Teilen der Bevölkerung fatalerweise den Eindruck
erweckt, dass Klimaschutz generell ein unsoziales Elitenprojekt sei -
und nicht nur, wenn er unter kapitalistischen Bedingungen stattfindet.
Diese Sichtweise wird von der Propaganda der AfD aufgegriffen und
verstärkt. In ihrem Programmentwurf zur Bundestagswahl erklärt sie den
menschengemachten Klimawandel zu einem erfundenen Problem und lehnt
jegliche Klimapolitik ab.30
Leider ist der Klimawandel aber ein sehr reales Problem, das zudem die
ärmeren Länder am härtesten trifft. Folgen der Erderwärmung wie Dürren,
Überschwemmungen, extreme Hitze und der Anstieg des Meeresspiegels
zwingen bereits heute 20 Millionen Menschen jährlich zur Flucht, die
meisten davon im Globalen Süden. Laut Schätzungen der Weltbank könnte es
im Jahr 2050 weltweit 140 Millionen Klimaflüchtlinge geben.31
Die derzeitige Klimapolitik setzt auf technische Lösungen: Strom aus
Wind- und Solarenergie statt Kohle und Gas, E-Autos statt Verbrenner.
Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sollen sich dagegen nicht
grundlegend ändern. Es wird das Ziel des "grünen Wachstums" ausgegeben -
die Unternehmen sollen weiterhin ihre Profite steigern, aber trotzdem in
den nächsten 25 Jahren ihre CO2-Emissionen auf null reduzieren. Es ist
aber schwer vorstellbar, dass das klappen wird! Am Elektroauto, dem
Vorzeigeprodukt des "grünen" Kapitalismus, lässt sich das gut zeigen:
Die Förderung des für die Batterien benötigten Lithiums in Lateinamerika
führt zu massiven Umweltschäden und zerstört die Lebensgrundlage der in
den Abbaugebieten ansässigen indigenen Bevölkerung.32 Zudem wird bei der
Herstellung dieser Batterien so viel CO2 freigesetzt, dass die Autos je
nach Modell erst einmal 40.000 bis 200.000 Kilometer fahren müssen, bis
sie klimafreundlicher sind als ein Verbrenner. Aber selbst dann ist es
immer noch eine enorme Energieverschwendung, ein bis zwei Tonnen Blech
durch die Gegend zu bewegen, um im Durchschnitt nur 1,3 Personen zu
befördern.33 Ökologisch betrachtet ist das E-Auto eine Sackgasse.
Sinnvoll wäre vielmehr, konsequent auf öffentliche Verkehrsmittel zu
setzen - aber dem stehen die Profitinteressen der Automobilindustrie
entgegen.
Die Lösung ist weder das "grüne Wachstum" der etablierten Parteien noch
die Leugnung der Klimakrise durch die AfD, sondern eine Überwindung der
kapitalistischen Wirtschaftsweise. Erst wenn nicht mehr die Anhäufung
von Kapital, sondern die Bedürfnisse der Menschen den Zweck der
Produktion ausmachen, wäre ein harmonischeres Verhältnis der Menschheit
zur Natur möglich. Diese Option steht aber am 23. Februar nicht zur
Wahl. Wir müssen sie durch eine ökologische Massenbewegung von unten
erkämpfen!
Der Krieg in der Ukraine
Die aktuelle Lage in der Ukraine: Es wird geschätzt, dass es
mittlerweile mehr als eine Million tote und verletzte Soldaten auf
russischer und ukrainischer Seite gibt,34 zivile Opfer noch gar nicht
mit eingerechnet. Ein Ende ist nicht in Sicht. In der Ukraine möchten
nur noch 38% der Menschen, dass der Krieg fortgeführt wird.35 Brutale
Zwangsrekrutierungen von den Straßen sind an der Tagesordnung.36 Teils
desertieren ganze "Elite-Brigaden",37 seit Kriegsausbruch sind fast
120.000 Fälle von Fahnenflucht registriert. Nach offiziellen Angaben von
Selenskyj stehen in der ukrainischen Armee aktuell 980.000 Soldaten
unter Waffen, zugleich sind nach Schätzungen bereits rund 1,2 Millionen
wehrpflichtige Menschen aus der Ukraine geflohen.38 Experten
prowestlicher Militär-Thinktanks müssen zugestehen, dass die ukrainische
Kriegslage sich stetig verschlechtert. Das russische Militär hat sich an
westliche Waffen angepasst, neue Strategien entwickelt, und deren
Mobilisierungsfähigkeit ist bei Weitem noch nicht erschöpft.39 In
Deutschland spüren die Menschen den Krieg vor allem indirekt: Höhere
Energiepreise, Sorgen vor einer weiteren Eskalation und Forderungen nach
mehr Aufrüstung.
Die etablierten Parteien fordern weiterhin eine Unterstützung der
Ukraine in Form weiterer Waffenlieferungen. Sie argumentieren unter
anderem mit einer vermeintlichen moralischen Verpflichtung zur
Unterstützung, weil die Ukrainer:innen entschieden hätten, dass sie für
ihr Land kämpfen wollen. Dabei ignorieren sie die realen
Zustimmungswerte in der Ukraine, die erforderlichen Zwangsrekrutierungen
sowie massenhafte Flucht und Desertationen. Bereits zu Beginn stellte
die vermeintliche moralische Integrität der ukrainischen Seite nicht den
Grund der Unterstützung dar. Der lag vielmehr darin, dass Russland als
weltpolitischer Störfaktor wahrgenommen und deren Eskalation in der
Ukraine als willkommene Gelegenheit zur Schwächung des Kontrahenten
angesehen wurde. Doch aus der erfolgten Unterstützung ergibt sich
mittlerweile ein weiterer Grund: Alleine bis Oktober dieses Jahres
wurden Kredite als "Hilfen" in Höhe von 113 Mrd. Euro geleistet. Gewinnt
Russland diesen Krieg, droht deren Verlust als mögliche Konsequenz.
Daher ist ein Ende des Krieges noch lange nicht angedacht. So der Leiter
des ZDF-Studios in Washington im Bezug auf Trump: "Die gute Nachricht
ist, es wird nicht am ersten Tag schon der Frieden ausbrechen in dieser
Region".40 Im Gegenteil: Junge Ukrainer:innen sollen jetzt schon ab 18
Jahren an die Front geschickt und dort verheizt werden, wenn es etwa
nach den den USA geht.41 Selenskyj macht deutlich, dass seine Regierung
hierzu allenfalls unter der Bedingung von mehr Waffenlieferungen bereit
sein wird.42 Ergänzend wird darüber nachgedacht, beispielsweise nach
Deutschland geflohene, wehrfähige Menschen in die Ukraine - an die Front
- abzuschieben. Die müssen dann wohl ausbaden, dass die Ukrainer:innen
angeblich kämpfen wollen.
Zugleich soll aufgerüstet werden, und zwar für die Sicherheit. Dass dies
daran nichts ändert, dass es gegensätzliche Interessen zwischen "dem
Westen" und Russland gibt, ist klar. Es soll einfach nur sichergestellt
werden, dass die andere Seite keine realistische Möglichkeit mehr sieht,
ihre Ansprüche durchzusetzen. Dass das die Gefahr eines Krieges nicht
senkt, ist allen klar. Daher müssen wir ja auch "kriegstüchtig" werden.
Habeck, der Kanzlerkandidat der ehemaligen "Friedenspartei" fordert 3,5%
des BIP an Militärausgaben,43 Weidel kann sich sogar noch mehr als die
von Trump geforderten 5% vorstellen.44
Es gibt auch Parteien (BSW, AfD), die eine weitere Unterstützung der
Ukraine ablehnen. Begründet wird dies jedoch nicht damit, dass gegen die
Gründe für diesen Krieg vorgegangen werden soll. Es wird nicht in Frage
gestellt, dass es sich gegenseitig ausschließende Ansprüche
verschiedener Nationen gibt und diese ggf. auch militärisch durchgesetzt
werden. An der imperialistischen Logik will keine dieser Parteien etwas
ändern. Sie sind jedoch der Meinung, dass es sich in diesem Fall um
einen amerikanischen Krieg handelt, der deutschen Interessen schadet.
Daher ist es auch kein Widerspruch, dass die AfD die Unterstützung der
Ukraine ablehnt, aber dennoch die Aufrüstung vorantreiben will. Sie sind
für Krieg, aber bitte nur, wenn er sich für Deutschland lohnt.
Offiziell noch auf Abrüstungskurs ist das BSW. Zugleich möchte die
Wagenknecht-Partei, dass sich Deutschland von den USA abwendet und
Europa sich als eigenständiger kapitalistischer Machtblock etabliert.
Dann wird sich Europa aber nicht mehr auf den Schutz Amerikas verlassen
können und muss die eigene militärische Stärke ausbauen. Spätestens,
wenn es einmal in der Regierungsverantwortung ist, wird das auch das BSW
zugestehen müssen.
Es bleibt festzuhalten: Sicherheit wird nicht durch mehr Aufrüstung
erreicht. Stattdessen gilt es, sich der Kriegslogik durch eine
internationale Friedensbewegung entgegenzustellen. Wir haben mit dem
Pfleger in Russland oder der Arbeiterin in Kiew mehr gemeinsam als mit
Putin, Scholz oder Selenskyj. Denn wir müssen deren Politik am Ende in
den Schützengräben dieser Welt ausbaden.
Selbstorganisation statt Wahlspektakel
Die Parteien können keines der drängenden Probleme lösen, die die
Menschen beschäftigen. Kein Wunder: Sie konkurrieren alle um die Führung
eines Gemeinwesens, das auf der Ausbeutung unserer Arbeitskraft beruht
und dessen Zweck nicht die Befriedigung unserer Bedürfnisse ist, sondern
die Anhäufung von Kapital.
Wenn sich die Lage bessern soll, müssen wir selbst aktiv werden! Wir,
die lohnabhängige Klasse, sind es, die durch unsere Arbeit tagtäglich
dieses System am Laufen halten. Dadurch haben wir aber potentiell eine
ungeheure Macht: Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es
will! Wenn wir uns weigern, so zu funktionieren, wie es die Mächtigen
von uns erwarten, können wir ihnen Zugeständnisse abtrotzen. Aber dazu
müssen wir uns organisieren und gemeinsam für unsere Interessen kämpfen.
Eine solche Perspektive erscheint vielen utopisch, da es hierzulande
aktuell wenig entschlossene Klassenkämpfe gibt und stattdessen
Vereinzelung vorherrscht. Aber das muss nicht so bleiben!
Nachbarschaftstreffen, Mieter:inneninitiativen, Versammlungen im
Betrieb, Proteste gegen lokale Missstände können Gelegenheiten bieten,
miteinander ins Gespräch zu kommen und Solidaritäten zu knüpfen. Wenn
wir die einzelnen Kämpfe miteinander verbinden, können wir Gegenmacht
von unten aufbauen und die Macht von Kapital und Staat herausfordern.
In den kommenden Monaten und Jahren werden die gesellschaftlichen Krisen
sich weiter zuspitzen: höchste Zeit, die Perspektive der
Selbstorganisation auszuprobieren, anstatt zu resignieren oder sich
weiter illusionären Hoffnungen in Wahlen hinzugeben!
Fußnoten
https://ruhr.dieplattform.org/2025/02/03/krisen-ueberall-und-wir-sollen-ein-kreuzchen-machen-und-hoffen/
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