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The.Supplement
{Info on A-Infos}
(de) BBB, Die Torte Casarini und ein paar strategische Gedanken (en)
From
Worker <a-infos-de@ainfos-ca>
Date
Mon, 12 May 2003 23:05:27 +0200 (CEST)
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A - I N F O S N E W S S E R V I C E
http://www.ainfos.ca/
http://ainfos.ca/index24.html
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> From "dr.woooo" <dr.woooo@nomasters.org>
> Übersetzung von Uli;
from http://slash.autonomedia.org/analysis/03/05/10/175240.shtml
Biotic Baking Brigade - Ricotta-Division, "Süßer Ungehorsam"
[Sorry, zahlreiche küchenspezifische Wortspiele konnte ich leider nicht
übersetzen. Schluckt es.]
"Materialismus ist weiblich"
http://italy.indymedia.org/uploads/lucapie.mov
Die allermeisten unserer Torten sind natürlich für die Schurken in
Konzernen und Regierungen reserviert. Aber antiautoritäre Tortenwürfe
können auch eine von vielen nützlichen Taktiken im Umgang mit Leuten wie
"linken" Führern (Luca Casarini), Bossen (Arbeiterpartei-Präsident
José
Genoino in Porto Alegre, Brasilien), sozialistischen Wichsern (Alex
Callinicos, Obermacker der Socialist Worker Party, von
AntikapitalistInnen in Bristol, GB, mit Eiern beworfen),
Ausverkaufs-"Umweltschützern" (Carl Pope, Präsident des
Sierra-Clubs),
verlogenen ReporterInnen (Jennifer Jolly, Fox TV) und Spitzeln
(Möchtegern-Ökospion Barry Clausen) sein.
Die Ricotta-Division hat soeben die folgende Erklärung herausgegeben,
die ein paar Dinge bezüglich der Torte auf Casarini für diejenigen
klarstellt, die sich in den italienischen Bewegungen nicht so auskennen.
Vorwärts nach Évian und Thessaloniki!
Mit Solidarität und Respekt,
die Biotic Baking Brigade
Am 4. Mai 2003 wurde Luca Casarini, Führer der Disobbedienti
[Ungehorsamen], eines wichtigen Teils der italienischen
antikapitalistischen Bewegung, in New York mit einer Torte beworfen. Mit
diesem sanften Bruch der Tischmanieren erhielt Casarini den gerechten
Nachtisch für den Schaden, den er der Bewegung in Italien zugefügt hat.
Eine geworfene Torte ist ein einfacher Akt mit vielschichter Bedeutung.
Die Grundlage dieser Torte war ein Akt weiblicher Zärtlichkeit, um die
Kluft zwischen der Rhetorik der Disobbedienti und ihrer wirklichen
Praxis zu verdeutlichen. Einigen US-AktivistInnen ist bewußt, daß die
Ideen der Disobbedienti sehr anziehend sind, und die weltweite
antikapitalistische Bewegung wurde durch viele Aktionen von "Tute
Bianche" und "Ya Basta" (die sie bis 2001 verkörperten)
inspiriert. Zu Hause hat das machomäßige, unverantwortliche Verhalten
der Disobbedienti dazu geführt, daß sie bei vielen ihrer ehemaligen
UnterstützerInnen Vertrauen und Ansehen verloren haben. Einst
Kristallisationspunkt der massiven "no global"-Bewegung in Italien,
haben die Disobbedienti es nicht geschafft, die vielfältigen Mengen,
zu deren Inspiration sie beigetragen hatten, durch ihr Beispiel zu führen.
In Italien bedarf diese Torte keiner weiteren Erklärung. In den USA gibt
es aber eine gewisse Verwirrung darüber, warum manche Leute keine
Disobbedienti mögen. Wir fangen also am besten mit drei von den Punkten
an, für die die Disobbedienti NICHT kritisiert gehören (und eher eine
Torte auf dem Tisch als im Gesicht verdienen):
1. Ihr theoretischer Ansatz. Die Disobbedienti haben viel dafür getan,
leckere Theorien von den Unis zurück auf die Straße zu holen, die sie
zuerst hervorgebracht haben.
2. Die Tatsache, daß sie direkte Aktionen und Kampagnen planen. Es muß
zu ihren Gunsten gesagt werden, daß die Disobbedienti Sachen erledigen.
Auch die Zielrichtung ihrer Aktionen ist gut: Hausbesetzungen
organisieren, Flüchtlingsinternierungslager schließen, kapitalistische
Gipfel und Militärzüge angreifen, das sind lauter köstliche Ideen.
3. Ihr Wunsch, eine bessere Welt zu schaffen. Trotz aller
Familienstreitigkeiten unterstützt die gesamte italienische Bewegung
einhellig Disobbedienti, wenn der Staat, Faschisten oder kommerzielle
Medien irgendwelche Verschwörungen gegen sie zusammenrühren (wie sich im
November 2002 nach der Verhaftung von Caruso gezeigt hat).
Aber warum dann die Torte auf Casarini?
1. Schaut Euch mal an, was die backen. Trotz ihrer antiautoritären
Rhetorik haben die Disobbedienti eine hierarchische Struktur mit
strikter Arbeitsteilung und Machthunger. Dieser Ansatz hat negative
Kritiken bekommen, sogar von früheren GenossInnen. Noch schlimmer: ihr
Rezept taugt nicht für ein leckeres Soufflé, da die
Nicht-Disobbedienti-Zutaten in der Bewegung es nicht mögen, wenn ihre
Aromen unter der Glasur verschwinden. Die Disobbedienti gehen keine
gleichberechtigten Bündnisse ein, sondern versuchen stattdessen, bereits
etablierte Centri Sociali (besetzte Häuser) zu übernehmen, ohne jede
Rücksicht auf örtliche Geschmäcker. Seit er an der Macht ist, serviert
Casarini ständig riesige Portionen ungesäuerte Autorität und
übergekochtes Testosteron, im Gegensatz zur viel gesünderen
nordamerikanischen Diät von direkter Demokratie und Konsensprozeß. Das
untergräbt die Lebenskraft und Autonomie der Organisierung vor Ort und
hat in der Bewegung zu allergischen Reaktionen und Verstopfung geführt.
2. Achtet auf das Haltbarkeitsdatum, nicht auf die Verpackung. Die
theoretische Frische der Disobbedienti spiegelt sich leider nicht in
ihren direkten Aktionen wider. Die entsprechen gewöhnlich dem
altbackenen Format der vertikal organisierten Demo, das von
"no-global"-AktivistInnen rund um die Welt längst verworfen wurde.
Bei
Demos steht Casarini auf einem Lastwagen und sagt den Leuten, was sie zu
tun haben, ein Ansatz, an dem viele TeilnehmerInnen keinen Geschmack
finden. Die Kreativität und Gemeinsamkeit der Demo wird eingeschränkt,
weil die "Führer" keine Vorschläge von den Leuten akzeptieren, selbst
wenn klar ist, daß der Ansatz mit ihren Ausstechförmchen nicht
funktioniert. Diese Behandlung der vielfältigen Menge als "Masse",
die
herumkommandiert werden kann, widerspricht genau der Theorie, die die
Disobbedienti populär gemacht haben.
3. In Italien gibt es keine Comandanta Ramona. Tute Bianche und Ya Basta
wurden zwar anfangs vom Zapatismus inspiriert, aber bei der Übersetzung
muß irgendwas verlorengegangen sein, denn anders als die Zapatistas
schaffen die Disobbedienti keinen Platz für Frauen. Ihr Führer ist ein
ultradominanter Mann, und sie verstärken traditionelle
Geschlechterrollen nicht nur für Frauen (die ignoriert werden), sondern
auch für Männer (bei denen Kritik als Bedrohung der Stellung des
Disobbedienti-Alpha-Männchens betrachtet wird). Das hat dazu geführt,
daß die politische Diskussion von einem Fest der Ideen mittlerweile zu
einem Kopfnickwettbewerb verkommen ist.
4. Eine Torte ins Gesicht ist in Wirklichkeit eine Deeskalation! Diese
Aktion war auch eine Methode, um die Militarisierung der Bewegung zu
parodieren, da die Disobbedienti zu einer Atmosphäre beigetragen haben,
in der AktivistInnen ihre Konflikte körperlich und nicht mit Worten
austragen. Casarini hat den süßen Kern der Bewegung mit einer dicken
Kruste von Schlägertypen eingehüllt, die vielleicht nützlich sind, wenn
es darum geht, Faschos abzuwehren und sich auf der Straße durchzusetzen,
die aber bei der Behandlung von Meinungsverschiedenheiten mit anderen
AktivistInnen eine Katastrophe sind. (Ein vielsagendes Beispiel ist der
absurde Kampf, der kürzlich bei einem Treffen in Livorno ausgebrochen
ist, wo Casarini und sein Gefolge von einer örtlichen Posse linker
Hools, die noch machomäßiger drauf waren, aus der Stadt gejagt wurden.
Die Einstellungen beider Gruppen sind lächerlich und wären unter
AktivistInnen in den USA ironischerweise undenkbar, trotz der Tatsache,
daß "Gewalt so amerikanisch ist wie apple pie").
Diese Erdbeercremetorte ist eine herbe Kritik der bitteren Widersprüche,
die die Disobbedienti zu ihrem eigenen schlimmsten Feind werden lassen
haben. In Italien kommt die Bewegung prima ohne ihre Führung aus
(Generalstreiks, Massendemos, blühende alternative Medien), aber die
Disobbedienti könnten eine Menge beitragen, wenn sie nur ein bißchen
bescheidener wären. Es mag nach Süßstoff klingen, aber die Bewegung
braucht Nahrung und Liebe, die Disobbedienti genauso wie alle anderen.
Gegen die wirklich führenden Kräfte von Kapitalismus und Krieg brauchen
wir eine konkrete, antiautoritäre, nicht-sexistische Bewegung, mit allen
nötigen Zutaten.
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