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(de) SchNEWS 415, Freitag, 18. Juli, 2003 (en)

From Worker <a-infos-de@ainfos.ca>
Date Tue, 22 Jul 2003 15:58:22 +0200 (CEST)


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A - I N F O S N E W S S E R V I C E
http://www.ainfos.ca/
http://ainfos.ca/index24.html
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[Diesmal partybedingt ultraspät und bloß die Titelstory. Englisches
Original von SchNEWS, dem englischen Original, unter
http://www.schnews.org.uk/archive/news415.htm – d.Ü.]
> Visionäre Chips
"Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein Geschäft, und ein Computer
erstellt eine vollständige Liste von allem, was Sie tragen – bis hin zur
Größe und Farbe Ihrer Unterwäsche. Angestellte des Ladens könnten sogar
den Inhalt Ihres Geldbeutels lesen, um festzustellen, ob Sie ein
wünschenswerter Kunde sind oder jemand, den sie aufgrund Ihres
finanziellen Werts ignorieren möchten. Die Diskriminierungsmöglichkeiten
sind ziemlich beunruhigend." – Katherine Albrecht, Direktorin von
Consumers Against Supermarket Privacy Invasion and Numbering.

Gute Nachrichten für alle, die das Gefühl haben, daß Ihr Privatleben
noch nicht ausreichend durchleuchtet wird: Ein neues kleines Tierchen
kommt, um Euer Leben mit Freude zu erfüllen – RFID
(Radiofrequenzidentifikation). Wenn sich das durchsetzt – und sie
scheinen schon dabeizusein – dann könnte bald alles, was Ihr kauft, eine
Identifikationsnummer haben, die ohne Eure Erlaubnis an irgendjemanden
in der Nähe übertragen werden kann.

RFIDs sind kleine Chips, die in fast alles eingebaut werden können. Wenn
sie näher als fünf Meter an ein Lesegerät herankommen, übermitteln sie
diesem ihre Identifikationsnummer. Die Idee ist, daß Geschäfte sie statt
Strichcodes verwenden. Man schiebt seinen Einkaufswagen einfach an der
Kasse vorbei und weiß, wieviel man zahlen muß. Klingt soweit ganz gut.

Aber jetzt wird's knifflig, Leute. Da jeder Chip eine einmalige Nummer
hat, kann zum Beispiel jemand, der die Nummer des Chips in Deinen
Schuhen weiß, genau nachvollziehen, was Du tust. Ein Supermarkt könnte
wissen, wann Du den Laden betrittst, wie lang Du in jeder Abteilung
bleibst und was Du kaufst. Kürzlich, beim Kongreß der Kommunistischen
Partei Chinas, mußte jeder Delegierte eine Binde mit einem RFID-Chip
tragen, der jeden ihrer Schritte überwachte.

"Das Auto-ID-Zentrum entwirft, baut, testet und entwickelt eine globale
Infrastruktur... was wird es Computern ermöglichen, jedes Objekt überall
auf der Welt sofort zu identifizieren", blubbert die
Auto-ID-Zentrums-Pressemitteilung glücklich vor sich hin.

Ein Casino in Sydney hat schon 80.000 dieser Chips in die Uniformen
ihrer Angestellten eingenäht, um die Diebstähle zu reduzieren. Michelin,
die 800.000 Reifen am Tag herstellt, werden demnächst RFID-Chips in
jeden Reifen einbauen, die in einer großen Datenbank den Autos, an denen
sie angebracht werden, zugeordnet werden. Tesco sind dabei, einen großen
Versuch mit der Technologie zu starten. Unter den anderen Konzernen, die
diese Technologie testen, sind alle Lieblinge von SchNEWS: Gillette, Gap
und Bennetton.

In Tulsa (Oklahoma) wurde ein Netzwerk geschaffen, das in der Lage ist,
alle, die sich im Stadtzentrum bewegen, zu beobachten, so lange sie
irgendwo einen RFID-Chip dabeihaben. Eine Firma namens Applied Digital
Solutions hat schon einen RFID-Chip für Menschen entwickelt. Er ist 11mm
lang, wir unter die Haut gepflanzt und kann aus 1,30m Entfernung gelesen
werden. Und, jawoll, Leute, die sind auch schon Menschen eingepflanzt
worden.

Die EU ist dabei, zwecks Fälschungssicherheit RFIDs in Banknoten mit
hohem Wert einzubauen. Laut dem Analysten Prianka Chopra haben
"RFID-Einheiten... auch die Fähigkeit, Informationen wie Details der
Transaktionen, in die der Geldschein verwickelt war, aufzuzeichnen." Das
würde die Anonymität des Geldverkehrs im Nu zerstören. Die andere tolle
Errungenschaft dabei ist, daß jedeR mit einem RFID-Lesegerät (die sich
immer weiter verbreiten werden) sofort genau weiß, wieviel Geld man
dabeihat... Hurra!

Was macht das Innenministerium folglich gegen dieses möglicherweise
gewaltige Datenschutzrisiko? Zur Vorsicht mahnen und die
Sicherheitsrisiken diskutieren? Nö, natürlich nicht, sie stecken noch
mal 4,5 Millionen Pfund rein, um das System zu verbessern. Es ist ja so
verlockend, RFID in Pässen, Führerscheinen und allen anderen möglichen
Dokumenten zu verwenden, so daß sich praktisch niemand mehr vor RFID
drücken kann, wenn Dokumente ohne Chip einfach nicht mehr anerkannt
werden.

Wenn Chips in obligatorischen Personalausweisen installiert würden,
könnte die Polizei (und andere) auf jede Menge Informationen über
irgendjemanden zugreifen, indem sie einfach aus einigen Metern
Entfernung anfunkt. In den USA verlangen viele Supermärkte offizielle
staatliche Personalausweise für die Ausgabe von Kundenkarten. Daraus
können leicht riesige Datenbanken entstehen, da Konzerne die Daten ihrer
KundInnen zusammenführen, um erschreckend genaue Personenprofile zu
erstellen. Dein Supermarkt teilt Deine Daten mit Deiner Bank, die sie
mit Deinem Lieblingsklamottenladen teilt, und plötzlich haben sie eine
massive Datenbank mit Infos über Dich. Beeindruckend, was?

Durchgesickerte Mitteilungen über Gruppentests von Auto-ID, den
wichtigsten Leuten hinter RFID, enthüllen, wie die Menschen diese
Technologie wirklich wahrnehmen: "Es gibt zur Zeit keine eindeutigen
Vorteile, die auch nur die geringsten Nachteile ausgleichen könnten.
Obwohl die möglichen Vorteile jeder Gruppe ausführlich erklärt wurden,
schien sie nichts zu motivieren oder zu inspirieren. Stattdessen führte
die Präsentation der Vorteile die Konsumenten offenbar automatisch dazu,
an die Nachteile zu denken." Diese Abneigung hat bereits zu
Zugeständnissen der Hersteller geführt, z. B. Chips, die zerstört
werden, wenn sie das Geschäft verlassen, und daß die Chips nur an den
Verpackungen statt am Produkt selbst angebracht werden.

Ironischerweise sind diese Mitteilungen über einen öffentlichen Teil der
Auto-ID-Homepage durchgesickert. Wenn die ihre eigenen vertraulichen
Dokumente nicht schützen können, ist es schwer, ihren Behauptungen zu
glauben, sie wären in der Lage, riesige Datenbanken mit Kundendaten
geheimzuhalten.

Weil diese Chips so klein werden (unter 0,3mm), sind sie extrem schwer
zu finden und zu zerstören. Sie sind waschfest und müssen zerdrückt oder
in der Mikrowelle (Achtung, Feuergefahr) behandelt werden, um sie
unwirksam zu machen. Und man kann halt nicht einfach mit einer
Mikrowelle zu Tesco rüberspazieren, um den ganzen Krempel auszuschalten.

"Die RFID-Technologie schreitet mit unglaublicher Geschwindigkeit voran,
das muß dringend gesetzlich geregelt werden. Konzerne haben bereits
begonnen, diese Chips in Produkte einzubinden, die Leute heute kaufen.
Sie könnten selbst schon welche zu Hause haben. Das Problem ist: Sie
haben gar keine Möglichkeit, das herauszufinden", erklärte Albrecht.

Zum Glück bekommt dieses wunderbare Nirwana der neuen Technologie
allmählich eine ziemlich schlechte Presse. Wal-Mart hat in aller Stille
einen Versuch mit dieser Technik in einem seiner Läden begonnen, aber
als die Firma, die die Chips herstellt, aufgetaucht ist und angefangen
hat, den KundInnen das mitzuteilen, waren sie entsetzt. Wal-Mart wurde
dermaßen von Beschwerdeanrufen überschwemmt, daß sie PR-Kräfte an die
Telefone setzen mußten, was dem Versuch ein plötzliches Ende bereitet
hat. Es besteht die Chance, daß diese Technologie ähnlich gesehen wird
wie Genmanipulation: Große Gewinne für große Konzerne und nur Nachteile
für alle anderen. Die erfahren Deine persönlichen Vorlieben und schieben
die fetten Profite ein, während Du jedes Fitzelchen Deines Privatlebens
verlierst.

Weitere Infos: www.nocards.org
www.theregister.co.uk

/Uli


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