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(de) Athens alte Rechnungen (jw)

From faub2@anarch.fau.org (FAU Berlin 2)
Date Fri, 13 Dec 2002 10:45:56 -0500 (EST)


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Athens alte Rechnungen

Griechenland: Proteste nach Verhaftung von Giannis Serifis als angebliches Mitglied des "17. November"
                           Ralf Dreis

Im sogenannten Kampf gegen den Terrorismus scheint der griechische Staat noch ein paar alte Rechnungen zu begleichen. Nach monatelanger staatlicher und medialer Vorbereitung wurde am 27. Oktober der 65jaehrige Anarchosyndikalist Giannis Serifis unter de

m Vorwurf der Mitgliedschaft in der "terroristischen Vereinigung 17. November" und der Beteiligung an der Ermordung des CIA-Chefs Richard Welch 1975 in Athen verhaftet.

Landesweit gibt es seit der Verhaftung in Griechenland Proteste gegen die  
Kriminalisierung. In Deutschland organisiert seit zwei Wochen die  
anarchosyndikalistische FAU (Freie ArbeiterInnen Union)  
Solidaritaetsaktionen fuer Serifis. Am 23. November fandeine erste  
Protestkundgebung vor dem griechischen Konsulat in Frankfurt am Main  
statt. Ueber Internet werden europaweit Unterschriften fuer SerifisÆ  
sofortige Freilassung gesammelt.

Es ist nicht das erste Mal, das Serifis kriminalisiert wird. Er ist seit Jahrzehnten einer der "ueblichen Verdaechtigen", wie die Aktivisten der antiautoritaeren, anarchistischen Bewegung in Griechenland genannt werden, die seit den 70er Jahren nach jed

em Anschlag einer Stadtguerillagruppe als Beschuldigte ins Visier der staatlichen Verfolgungsbehoerden geraten. Nun scheint es zum ersten Mal moeglich, unliebsame Aktivisten fuer Jahre hinter Gitter zu bringen. Denn die Repression der Polizei gegenueber

 dem radikalen Teil der Bewegung stand bisher in krassem Gegensatz zu den  
milden Urteilen der bei Prozessen zustaendigen Schoeffengerichte. Oftmals  
wurden die "edlen politischen Motive" als strafmildernd anerkannt.
Das erst vor sechs Monaten nach deutschem Vorbild geschaffene "Antiterrorgesetz" und den neu gegruendeten Staatsschutzsenaten, hat die Lage extrem verschlechtert. Teil des Gesetzes ist auch die sogenannte Kronzeugenreglung, die bekanntlich aller Art von

 Luegen nach dem Willen der Verfolgungsbehoerden Tuer und Tor oeffnet. Erste Auswirkungen des Gesetzes sind schon jetzt zu beobachten. Welche "Gestaendnisse" und Beschuldigungen den Angeklagten des "17. November" von den Verfolgungsbehoerden diktiert wu

rden, kann niemand mehr mit Bestimmtheit sagen. Mehrere falsche  
Beschuldigungen û auch untereinander û sind offensichtlich, dies vor einem  
Staatsschutzsenat zu beweisen aber ist so gut wie unmoeglich.
Bei dem momentan in Griechenland herrschenden Sicherheitsdiskurs ist es absehbar, dass schon bald die ersten anarchistischen Aktivisten als "Terroristen" abgeurteilt werden. Gerade im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den EU-Gipfel in Thessalonik

i im Juli 2003 und dem von "Europol" forcierten Konstrukt eines  
"anarchistischen Terrorismus" wird sich die Bewegung nun damit auseinander  
setzen muessen, verstaerkt kriminalisiert zu werden.
Serifis selbst wurde 1973 von der damaligen Militaerjunta zum ersten Mal (in Abwesenheit) wegen seiner antidiktatorischen Aktivitaeten im deutschen Exil verurteilt. Nach dem Sturz der Junta (1974) kehrte er 1976 nach Griechenland zurueck und baute bei A

EG-Athen eine unabhaengige Gewerkschaft auf. Mit dieser gelang es in einem 77taegigen Arbeitskampf gegen die offiziellen Gewerkschaften einen Sieg ueber AEG (hoehere Loehne, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Urlaub) zu erringen. Als nach den RAF-Toten in

 Stammheim 1977 bei einem Anschlag auf die AEG-Niederlassung ein Mitglied des ELA (Revolutionaerer Volkskampf) von Zivilpolizisten erschossen wurde, sollte Serifis sowohl der Anschlag als auch der Mord angehaengt werden. Erst nach eineinhalb Jahren U-Ha

ft wurde er freigesprochen. In den 80er Jahren baute er erneut eine Basisgewerkschaft in den Werkstaetten der Verkehrsbetriebe in Athen auf. Wiederholt sollte er seitdem als Terrorist kriminalisiert werden. Serifis selbst kritisierte immer wieder den "s

talinistisch-zentralistischen Charakter" des "17. November" und bestreitet jede Verbindung mit der Organisation.

Zur jetzigen Verhaftung sagte er: "Sie wollen durch meine Kriminalisierung all jene verleumden, die gegen die Junta gekaempft haben und, statt sich korrumpieren zu lassen, auch weiterhin unnachgiebig Widerstand leisten. Der Schlag richtet sich gegen all

e, die sich dem Aufbau einer unabhaengigen, klassenkaempferischen Bewegung widmen. Es geht ihnen um die Verleumdung der revolutionaeren Linken und der antiautoritaeren und anarchistischen Bewegung."

Nach seiner Verhaftung kam es in Athen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als 150 Unterstuetzer versuchten, seinen Abtransport ins Gefaengnis Korydallos zu verhindern. In Thessaloniki demonstrierten am 7. November 800 Menschen fuer seine sofortige

 Freilassung.

Im Gegensatz zu den anderen achtzehn bisher verhafteten angeblichen Mitgliedern des "17. November" geniesst Serifis ein hohes Ansehen und viel Unterstuetzung in Griechenland. Sofort entwickelte sich eine breite Solidaritaetsbewegung, die von Gewerkschaf

tern ueber die anarchistische Bewegung, Trotzkisten, Synaspismos (Linksallianz), die kommunistische Partei KKE bis hin zum frueheren Justizminister Evangelos Giannopoulos (Pasok) reicht. Dieser erklaerte gegenueber dem Fernsehsender "Alter": "Die Verhaf

tung von Giannis Serifis ist ein Verbrechen gegen den Rechtsstaat. Es  
handelt sich um einen Kaempfer des Volkes, und die Richter, die ihn ins  
Gefaengnis geschickt haben, muessen darueber Rechenschaft ablegen."
* Weitere Informationen im Internet: www.fau.org


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