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(de) FAU-IAA Direct Action #219 - Entgrenzte Ausbeutung -- Gendersensibler Querschnitt der prekären Arbeitswelt in Indien
Date
Mon, 11 Nov 2013 10:34:23 +0200
Der Kampf gegen die Armut scheint sich in Indien angesichts der Realitäten in einen Kampf
gegen die Armutsbevölkerung gewandelt zu haben. Geschätzte 500 bis 650 Millionen Menschen
treten auf dem indischen Arbeitsmarkt auf. Der Anteil der Arbeitskräfte im informellen
Sektor liegt bei 93 Prozent. Sogar im organisierten Sektor arbeiten ca. 50 Prozent der
Arbeitskräfte in ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen. Dies bedeutet, dass heute etwa
96 Prozent der ArbeiterInnen in Indien prekär beschäftigt sind, einschließlich der vielen
Zwangs-, Kinder- und geschätzten 80 Millionen WanderarbeiterInnen in der Landwirtschaft
(vom primären Sektor lebt etwa die Hälfte der indischen Bevölkerung) und in den
industriellen und Dienstleistungszentren.
Die Arbeitsverhältnisse unterscheiden sich hier deutlich von den Formen informeller und
prekärer Arbeit auf dem Land. Zeitlich befristete Beschäftigung/Leiharbeit, Gelegenheits-
und Tagelöhnerjobs und "Selbstständigkeit" (Existenzgründung) sind die dominierenden
Formen der informellen Arbeit. Die tägliche Arbeitszeit beträgt meist zehn Stunden und
mehr - oftmals wird an allen Wochentagen gearbeitet. Die Bezahlung liegt in der Regel
unterhalb der staatlichen Mindestlöhne und unter denen der regulär Beschäftigten. Mit am
schlechtesten entlohnt werden die geschätzten 90 Millionen LandarbeiterInnen. Meist ist
die ganze Familie als "arbeitende Einheit" mit einbezogen. Weder sind sie kranken- noch
unfallversichert, noch erzielen sie irgendwelche Pensionsansprüche. Schriftliche
Arbeitsverträge existieren nur selten, was das Einklagen von Ansprüchen quasi unmöglich macht.
Demonstration der indischen Frauengewerkschaft SEWA (Quelle: www.sewa.org)
Demonstration der indischen Frauengewerkschaft SEWA (Quelle: www.sewa.org)
INKLUSION OHNE PERSPEKTIVEN
In Indien (und ganz Asien) scheint gegenwärtig das stattzufinden, was mit dem Begriff
"inklusiver Liberalismus" beschrieben wird. Dabei sollen sogenannte inklusive
Geschäftsmodelle, also kleine ProduzentInnen, Bauern und KleinhändlerInnen, in
transnationale Wertschöpfungsketten einbezogen werden.1
Ein Beispiel dieses Integrationsprozesses ist das Sumangali-System ("glückliche Braut") in
Südindien: "Mädchen und junge Frauen aus den Dörfern werden für drei Jahre in Wohnheimen
von Textilfabriken einkaserniert und arbeiten dort unter sklavenähnlichen Bedingungen.
Wenn sie durchhalten, bekommen sie nach drei Jahren den gesamten Lohn ausbezahlt, um damit
ihre Mitgift zu finanzieren.
Auch nicht wenige der fitten, gut ausgebildeten Call-Centre-Agentinnen sind aus genau
diesem Grund in den boomenden Servicesektor eingestiegen. D.h. eine Integration der jungen
Frauen in die "moderne" industrielle Arbeitswelt findet statt, damit sie selbst aktiv das
patriarchale Dowry-System [Mitgift-System, d.V.] fortführen können. Sie arrangieren selbst
ein System, das Frauen abwertet, verachtet und unterdrückt".2 Schul- und Berufsausbildung
für Mädchen wird in Indien noch immer weitgehend als überflüssig angesehen. Frauen bleiben
dadurch finanziell von Männern abhängig. Nur sechs Prozent aller erwerbstätigen Frauen in
Indien gehen einer regulären Berufsarbeit nach.
Arbeiten, ungelernte? Frauen außerhalb des Hauses, bleiben ihnen nur die informellen und
meist schlecht bezahlten Jobs in der Landwirtschaft, der Fischereiindustrie und als
Nahrungsmittelsammlerin; im Dienstleistungsbereich oder in Sweat-Shops bei den
nachgelagerten Produktionsstufen der Textil- und Elektroindustrie - oder sie erledigen von
zu Hause aus Stückarbeit, mit einem unvorstellbar geringen Stücklohn.
Viele Frauen verbringen ihr ganzes Erwerbsleben im unorganisierten Arbeitssektor. Die
Produktion und Zubereitung von Nahrungsmitteln, die Eigenproduktion von Kleidung, die
Erziehung der Kinder, die Pflege von Mitgliedern der eigenen Familie und der Community,
all das wird von der Gesellschaft zwar moralisch gefordert, aber nicht als Arbeit anerkannt.
KOLLEKTIVE STRUKTUREN GEGEN KONZERNMACHT
Im westindischen Bundesstaat Gujarat haben Frauen unter dem Namen Self Employed Women
Association/SEWA ein neues Modell einer Gewerkschaft entwickelt. Diese Organisation von
Frauen, die im informellen Sektor als "Selbstständige" auftreten und verschiedenen
Kastengruppen und Religionen angehören, hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen umfassend zu
ermächtigen und durch den Zugang zur Mainstream-Ökonomie deren ökonomischen und
gesellschaftlichen Status zu verbessern. Darüber hinaus ist es der Frauengewerkschaft in
Kooperation mit nationalen Versicherungsunternehmen gelungen, ein Versicherungssystem für
die Gewerkschaftsmitglieder und ihre Familienangehörigen einzuführen.
Die aus der Initiative von Ella Bhatt und in Heimarbeit gedrängten Textilarbeiterinnen
1972 hervorgegangene Frauengewerkschaft ist eine Wegbereiterin für die gewerkschaftliche
Organisierung von "Selbstständigen" im unorganisierten Sektor. Jahrzehnte später beginnen
nun auch traditionelle indische Gewerkschaften ihre Basis zu erweitern und Arbeitskräfte
aus dem informellen Sektor als reguläre Gewerkschaftsmitglieder zuzulassen. In der
mittlerweile in neun Bundesstaaten aktiven Organisation waren 2010 ca. 1,2 Millionen
Frauen organisiert. Aufgebaut wurden außerdem über 100 SEWA-Frauenkooperativen im Produkt-
und Dienstleistungsbereich zur Unterstützung der Frauen auf ihrem Weg in die
wirtschaftliche Unabhängigkeit. "Wir sind arm", antwortete Ella Bhatt in einem Interview
2010 auf die Frage, wie SEWA der Macht des Kapitals begegnen will, "aber wir sind nicht
dazu bestimmt, arm zu sein - unsere kollektive Stärke kann uns nicht geraubt werden."
Jürgen Weber
[1] ? vgl. Christa Wichterich: Europa und Asien,
www.asienhaus.de/archiv/asienhaus/europa-asien-april2013/2013-04-20_Wichterich_Asien-Europa.pdf.
[2] ? Ebendort.
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